Betreff
Abschluss von Rahmenverträgen mit den Stadtwerken Energie Jena-Pößneck GmbH (Stromlieferung) und den Stadtwerken Neustadt an der Orla GmbH (Erdgaslieferung) nach Einstellung der Lieferung durch die Fa.DEG Deutsche Energie Service GmbH
Vorlage
BVA/100/2019
Art
Beschlussvorlage BVA

Sachverhalt:

 

a)      Problembeschreibung

 

Im Ergebnis einer europaweiter Ausschreibung zur Lieferung von elektrischer Energie (Lieferzeitraum 01.01.2019 – 31.12.2021) und Erdgas (Lieferzeitraum 01.01.2019 – 01.01.2022) erhielt der in beiden Sparten wirtschaftlichste Bieter, die DEG Deutsche Energie Service GmbH (Erlenbach) am 29.10.2018 den Auftrag, die kreiseigenen Liegenschaften mit Strom und Erdgas zu beliefern. Der Auftragseingang wurde seitens der DEG bestätigt und die Versorgungsübernahme der Verbrauchsstellen beim jeweiligen Netzbetreiber angemeldet. Im Dezember 2018 gingen Begrüßungsschreiben mit der Aufforderung zur Abschlagszahlung ab 30.01.2019 im FD ZLM ein.

 

Am 20.12.2018 wurde auf der Internetseite der DEG unter dem Titel „Deutsche Energie verliert Kampf gegen Monopole der Energiewirtschaft“ die Information eingestellt, dass „die TenneT GmbH […] als Übertragungsnetzbetreiber […] den für die Versorgung mit Energie notwendigen Bilanzvertrag mit der DEG […] zum 21.12.2018, 24:00 Uhr gekündigt [hat und] ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens unausweichlich ist.“ Mit E-Mail vom 21.12.2018 wurde der Landkreis von der DEG auch direkt informiert. Gemäß den Ausführungen erwartete die DEG eine Bilanzkreiskündigung auch durch die anderen Verteilnetzbetreiber (z.B. Gaspool, NCG, 50Hertz). Damit waren kurzfristig alle Kunden von der Problematik betroffen und drohten in die Grund- bzw. Ersatzversorgung durch den jeweiligen regionalen Grundversorger zu fallen. Die Schwierigkeiten kamen für den Landkreis völlig überraschend, das Ergebnis einer Bonitätsabfrage durch das Unternehmen Ispex Consulting GmbH im Zuge der europaweiten Ausschreibung war unauffällig und im positiven Bereich.

 

Am 24.12.2018 hat die DEG die Mitteilung auf ihrer Internetseite aktualisiert und ausgeführt: „Nach Abwägung aller Optionsmöglichkeiten haben wir entschlossen, dass wir den Geschäftsbetrieb, also die Versorgung mit Strom und Erdgas in Deutschland, zum 21. Dezember 24.00 Uhr bzw. 22 Dezember 2018 6.00 Uhr im Bereich Erdgas vollständig einzustellen. Sie werden daher seit dem 22.Dezember 2018 in der gesetzlichen Ersatzversorgung Ihres Grundversorgers mit Energie beliefert. […] Damit wir die bereits gelieferte Energie vollständig und korrekt abrechnen können, bitten wir um die Übermittlung Ihres Strom- und Erdgaszählerstandes vom 22. Dezember 2018.“

 

Die absehbare Kündigung des Bilanzkreisvertrages zwischen der DEG und Gaspool bzw. NCG (jeweils Erdgas) erfolgte durch den jeweiligen Übertragungsnetzbetreiber zum 22.12.2018, 6.00 Uhr. 50Hertz (Strom) kündigte den Bilanzkreises (EIC 11XDEG-TRADING-1) zum 27.12.2018, 24.00 Uhr. Folglich fielen alle Gasverbrauchsstellen des Saale-Orla-Kreises ab 22.12.2018 und sämtliche Stromverbrauchsstellen ab 28.12.2018 in die Ersatzversorgung. Entsprechende Informationsschreiben der Grundversorger (TEN Thüringer Energienetze GmbH & Co. KG, Stadtwerke Neustadt an der Orla GmbH, Stadtwerke Jena Netze GmbH sowie Licht- und Kraftwerke Helmbrechts GmbH) gehen nach und nach im FD ZLM ein. Die Ersatzversorgung endet, sobald ein neuer Energieliefervertrag abgeschlossen wird, spätestens aber 3 Monate nach Beginn der Ersatzversorgung. Für die Beendigung der Ersatzversorgung gilt keine Kündigungsfrist. Folglich endet die Ersatzversorgung im Bereich Erdgas spätestens am 22.03.2019, 6.00 Uhr und im Bereich Strom am 27.03.2019, 24.00 Uhr.

 

 

 

b)      Handlungsalternativen

 

Zu dem unter a) geschilderten Sachverhalt gab es keinerlei Erfahrungen. Es dürfte auch bundesweit eher die Ausnahme sein, dass ein mit Strom- und Gaslieferungen beauftragtes Unternehmen bereits zwei Monate nach Durchführung einer europaweiten Ausschreibung als Vertragspartner ausfällt.

 

Dem Saale-Orla-Kreis standen zwei reale Handlungsalternativen zur Verfügung.

 

  1. Europaweite Neuausschreibung

 

Diese Möglichkeit wurde seitens der Verwaltung intensiv geprüft und im Ergebnis der Prüfung aus folgenden Gründen verworfen.

 

  • Das Vergaberecht hat das Ziel, dem künftigen Auftraggeber eine Leistung zu den wirtschaftlichsten Konditionen zu sichern, die am entsprechenden Markt verfügbar sind. Die Marktlage war nach der europaweit durchgeführten Ausschreibung bekannt, eine Neuausschreibung nur zwei Monaten später hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine neuen Erkenntnisse erbracht. Außerdem bestand die reale Gefahr, dass sich die Lieferkonditionen für den Saale-Orla-Kreis eher verschlechtert als verbessert hätten.

 

  • Die vom Landkreis zu tragenden finanziellen Aufwendungen bei und während einer neuen europaweiten Ausschreibung wären erheblich gewesen. Neben den eigentlichen Kosten des Verfahrens hätten erhebliche Mehraufwendungen für die Ersatzversorgung während des Ausschreibungszeitraumes veranschlagt werden müssen. Die Konditionen der Ersatzversorgung sind vergleichsweise schlecht. Der FD ZLM hat dazu folgende Berechnungen durchgeführt:

 

    • bei einem Jahresverbrauch von ca. 2,6 Mio. kWh Strom und ca. 9,8 Mio. kWh Gas ergäben sich bei einem Fortbestehen der Grundversorgung jährliche Mehrkosten von ca. 285 T € bei Strom und ca. 428 T € bei Gas, insgesamt also ca. 713 T €,
    • die Mehraufwendungen für 3 Monate  Grundversorgung würden sich auf mindestens 180 T€ belaufen, da insbesondere bei Gas in den Wintermonaten ein erhöhter Verbrauch zu verzeichnen ist und somit die Summe wohl tatsächlich noch höher ausfallen würde.

 

  • Der im Rahmen der Grundversorgung  verfügbare Zeitraum (3 Monate) hätte für die Durchführung einer erneuten europaweiten Ausschreibung nicht ausgereicht. Für die im Jahr 2018 durchgeführte Ausschreibung wurden etwa 6 Monate benötigt (Ausschreibung Fachplanung im Mai 2018, Auftragsvergabe am 29. Oktober 2018).

 

 

 

 

 

  1. Nutzung der Erkenntnisse aus dem abgeschlossenen Vergabeverfahrens und direkter Vertragsabschluss

 

In Anbetracht der erheblichen Kosten einer erneuten europaweiten Ausschreibung und der Tatsache, dass ein solches Verfahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine besseren Ergebnisse für den Landkreis erbracht hätte, nahm der FD ZLM unverzüglich Kontakt zu den jeweils „Zweitplatzierten“ der beendeten Ausschreibung auf. In der Ausschreibung 2018 wurde eine Preiskonstante K (die sämtliche Kosten für Kundenbetreuung, Abrechnung, Margen etc. enthält) als Grundlage für die Preisabfrage gewählt. Die Berechnung der vertraglichen Energiepreise erfolgte erst nach der Erteilung des Zuschlags auf Basis der durchschnittlichen EEX-Settlementpreise (Strom) bzw. PEGAS-Börsenpreise (Erdgas). Als Stichtag war der 15.11.2018 vereinbart. Mit aktuellem Bezug auf die Börsenpreise war es somit möglich, auf Basis der angebotenen Werte für die Preiskonstante K marktübliche Konditionen zu vereinbaren und gleichzeitig eine langfristige Versorgung (bis 31.12.2021 bzw. 01.01.2022) zu realisieren. Die Voraussetzung hierfür bildete natürlich die Bereitschaft der „zweitplatzierten“ Versorger, eine Belieferung zur im Ausschreibungsverfahren 2018 angebotenen Preiskonstante zu gewährleisten. Zwecks Klärung kontaktierte der Landkreis daher am 02.01.2019 die Stadtwerke Energie Jena-Pößneck GmbH (für Strom) und die Stadtwerke Neustadt an der Orla GmbH (bezüglich Gas) am 03.01.2019. Beide Versorger hielten den Vorschlag des Landkreises für realisierbar. Am Nachmittag des 02.01.2019 nahm der FD ZLM den Rückruf von der Stadtwerke Energie Jena-Pößneck GmbH entgegen. Nach interner Prüfung boten die Stadtwerke eine Stromlieferung zur Preiskonstante der Ausschreibung 2018 an, als Stichtag für den Börsenpreis sollte der 21.12.2018 herangezogen werden. Im Versorgungsgebiet Pößneck könne eine Belieferung ab 22.12.2018 erfolgen, die Versorgung der restlichen Verbrauchsstellen (Netzgebiet TEN Thüringer Energienetze GmbH & Co. KG und Stadtwerke Neustadt an der Orla GmbH) zum nächstmöglichen Zeitpunkt (in Abhängigkeit von der Freigabe durch den Netzbetreiber, spätestens jedoch ab 01.01.2019) realisiert werden .

 

Die Stadtwerke Neustadt an der Orla GmbH informierten nach Beendigung der internen Abstimmung am 08.01.2019 über die Bereitschaft zur Übernahme der Gasversorgung. Das schriftliche Angebot ging im Landratsamt am 10.01.2019 per Post ein. Gemäß dieses Angebotes waren die Stadtwerke Neustadt bereit, den Landkreis ab 01.02.2019 zu den Konditionen der Ausschreibung von 2018 einschließlich der damals festgelegten Börsenpreisfixierung (Stichtag: 15.11.2018) zu versorgen. Auf  telefonische Nachfrage am 09.01.2019 erklärten die Stadtwerke,  eine Belieferung ab 01.01.2019 sogar rückwirkend zu übernehmen.

 

Beide Angebote wurden geprüft und als sehr fair eingestuft, weil sie vollumfänglich marktgerechte Konditionen enthalten. Der Landkreis musste innerhalb kürzester Zeit über Annahme oder Ablehnung entscheiden. Aus den oben dargelegten Gründen schloss der Saale-Orla-Kreis zwischenzeitlich Lieferverträge mit den beiden Versorgern ab.

 

Parallel zu den Verhandlungen mit den Stadtwerken Energie Jena-Pößneck GmbH und den Stadtwerken Neustadt an der Orla GmbH kündigte der Landkreis die Verträge mit der DEG Deutsche Energie Service GmbH außerordentlich und drohte in den Kündigungsschreiben die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen an.

 

 

 

Die außerordentlichen Vertragskündigungen waren wegen der Einstellung der Strom- und Gaslieferungen im Dezember 2018 ohne Zweifel berechtigt und wurden damit auch begründet. Der Landkreis hat die Kündigungen schriftlich mit Datum vom 03.01.2019 ausgesprochen und einzeln per Einschreiben mit Rückschein versandt. Die beiden Zugangsnachweise befinden sich in den Akten des FD ZLM.

 

Der Saale-Orla-Kreis wird nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens seine Schadenersatzansprüche gegen die DEG Deutsche Energie Service GmbH beziffern und geltend machen. Zum Verfahren lautet der entsprechende Eintrag auf https://info.deutsche-energie.de/insolvenzverfahren (Stand 08.02.2019):

 

„Das Amtsgericht Heilbronn, Insolvenzgericht wird zu einem späteren Zeitpunkt über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entscheiden. Der Entscheidungstermin ist noch nicht bekannt. Auch über weitere Termine im Verlauf des Verfahrens kann daher noch nichts berichtet werden.“

 


Beschlussvorschlag:

 

„Der Bau- und Vergabeausschuss nimmt die im Sachverhalt beschriebene Vorgehensweise des Landratsamtes Saale-Orla-Kreis nach der Einstellung der Strom- und Gaslieferungen durch die Fa. DEG Deutsche Energie Service GmbH (Erlenbach) zur Kenntnis und billigt den Abschluss des Rahmenvertrages zur Lieferung elektrischer Energie mit den Stadtwerken Energie Jena-Pößneck GmbH und den Abschluss des Rahmenvertrages zur Erdgaslieferung mit den Stadtwerken Neustadt an der Orla GmbH“.

 


Finanzielle Auswirkungen:

 

 

 ja

 nein

Haushaltsjahr:     

 planmäßige Ausgaben

 überplanmäßige Ausgaben

 außerplanmäßige Ausgaben

  Einnahmen

Haushaltsstelle:      

Summe:      

Bezeichnung der Haushaltsstelle:      

Deckungsvorschläge:

 lfd. HH-Jahr

 HAR

Haushaltsstelle:

Summe: EUR

Bezeichnung der Haushaltsstelle:

     

     

     

     

     

     

     

     

     

 

Bemerkungen:

Die konkreten finanziellen Auswirkungen müssen durch das Landratsamt noch errechnet werden. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die DEG Deutsche Energie Service GmbH wird der Landkreis Schadenersatzansprüche in Höhe des errechneten Betrages zuzüglich entstandener Nebenkosten geltend machen.


Personelle Auswirkungen:

 

Keine.