Sachverhalt:
E-Government dient dem Ziel, die
elektronische Kommunikation mit der Verwaltung mittels moderner IT-Techniken
und elektronischer Medien zu erleichtern und Bund, Ländern und Kommunen zu
ermöglichen, einfachere und nutzerfreundlichere elektronische Verwaltungsdienste
anzubieten. Dabei soll E-Government die Effizienz, Effektivität und Transparenz
von Abläufen steigern, indem Dokumente nicht mehr wie bisher manuell bearbeitet
werden, sondern nunmehr digital erfasst und in einen elektronischen Workflow
übergeben werden. Es schafft somit die Voraussetzungen für zeit- und
ortsunabhängige Verwaltungsdienste und somit die Basis für die Umsetzung des
Onlinezugangsgesetz (OZG), welches alle Verwaltungen auffordert, bis zum
31.12.2022 ihre Leistungen dem Bürger auch online anzubieten.
Mit dem Thüringer E-Government-Gesetz vom
10.05.2018 erfolgte für Thüringen nunmehr eine verbindliche Konkretisierung
hinsichtlich der durch die Behörden zu realisierenden digitalen
Verwaltungsleistungen sowie der dafür einschlägigen Terminstellungen.
Elementarster Bestandteil und damit Grundvoraussetzung für die Realisierung von
E-Government-Leistungen - wie beispielsweise die Annahmepflicht für
elektronische Rechnung spätestens zum 27.11.2019 - ist die Einführung eines
Dokumentenmanagementsystems (DMS). Die Beschaffung und Implementierung eines
DMS im Landratsamt Saale-Orla-Kreis nimmt somit eine überdurchschnittliche
zentrale Bedeutung für das gesamte E-Government-Segment ein. Aufgrund der
gesetzlichen Vorgaben ist diese Beschaffung als äußerst zeitkritisch zu
betrachten.
Bereits seit dem Jahr 2004 nutzt der
Freistaat Thüringen das Dokumentenmanagementsystem „VIS-Suite“ der Fa. PDV aus
Erfurt. Im Rahmen der damaligen Landesausschreibung zum DMS wurde eine
thüringenweite kommunale Nachnutzung strategisch durch Integration einer
„Öffnungsklausel“ im Vertrag vorbereitet. D.h. bereits im Rahmen der
Beschaffung hat der Freistaat 2004 dieses Großprojekt darauf ausgerichtet, eine
breite Nutzung bis in die kommunale Ebene zu gewährleisten und damit eine
thüringenweite Kompatibilität zu schaffen. Leider wurde im Rahmen eines
Rechtsgutachtens im Dezember 2018 festgestellt, dass dieser Landesvertrag keine
Rechtsgültigkeit mehr besitzt und die kommunale Öffnungsklausel damit nicht
mehr existent ist. Ein Beitritt in diesen Rahmenvertrag und damit eine
rechtskonforme Nachnutzung durch den Landkreis ist somit aktuell nicht mehr
möglich. Ein Eintritt in einen zwischen dem Freistaat und der PDV neu
abzuschließenden Vertrag wäre grundsätzlich auch denkbar, scheitert jedoch an
der Zeitschiene. Deshalb wurden alternative Beschaffungsmöglichkeiten eines
Dokumentenmanagementsystems durch die Verwaltung intensiv geprüft.
Der Saale-Orla-Kreis ist aus diesem Grund
Mitglied einer interkommunalen Arbeitsgruppe bestehend aus 6 Thüringer
Gebietskörperschaften. Hierzu zählen
- Landkreis Altenburger Land
- Landkreis Weimarer Land
- Landkreis Saale-Holzland-Kreis
- Landkreis Saale-Orla-Kreis
- Landkreis Gotha
- Stadt Gera
Wissenschaftlich begleitet wird die
Projektgruppe durch die Duale Hochschule Gera-Eisenach (DHGE). Die Mitglieder
der Arbeitsgruppe haben gemeinsam die Initiative ergriffen, um auf der Basis
einer interkommunalen Zusammenarbeit eine gemeinsame Lösung zur Einführung
eines DMS zu evaluieren. Alle Beteiligten haben derzeit noch kein DMS im
Einsatz und sind nach grundlegender Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beschaffung und Nutzung eines von der
Landeslösung abweichenden DMS perspektivisch zu erheblichen Nachteilen führt. Die Einführung unterschiedlicher DMS-Systeme und die
damit verbundene dauerhaft erforderliche individuelle Anpassung, sind mit hohen
finanziellen, technischen und organisatorischen Aufwendungen verbunden. Vor diesem Hintergrund wurde geprüft, wie es
vergaberechtlich möglich werden kann, eine einheitliche DMS-Lösung
herbeizuführen. Um die gemeinsame Durchführung einer europaweiten Ausschreibung
und damit die gemeinsame Beauftragung eines einheitlichen DMS zu erreichen,
bedarf es als Rechtsgrundlage der Gründung eines Zweckverbandes auf Basis des
ThürKGG. Danach würde ein Dienstleister beauftragt werden müssen zur
Vorbereitung der nachgeschalteten europaweiten Ausschreibung. Dies würde
erheblichen administrativen Aufwand, die Bindung umfangreicher personeller und
finanzieller Ressourcen sowie zahlreiche weitere Unwägbarkeiten mit sich
bringen. Hauptargument gegen diese Zusammenarbeit auf Basis des ThürKGG ist
jedoch die vorgegebene Zeitschiene, da unter Beachtung aller Gegebenheiten,
eine DMS-Beauftragung nicht vor dem 1. Quartal 2021 absehbar ist.
Als weitere Beschaffungsvariante wurde eine
gemeinsame Fachplanung der Arbeitsgruppe für die Erarbeitung eines
Leistungsverzeichnisses mit anschließender separater Beauftragung der
Ausschreibung durch jeden einzelnen Beteiligten in Betracht gezogen.
Vorteilhaft wären in diesem Konstrukt die Arbeitsteilung unter den
Projektgruppenmitgliedern sowie ein überschaubarer Zeitrahmen für die
Beschaffung. Allerdings besteht das Risiko, dass kein einheitliches DMS, im
worst case sogar 6 verschiedene Systeme, zum Einsatz kommen könnte. Dies
widerspricht jedoch vom Grundsatz her bereits dem Ziel der Arbeitsgruppe und
dem Ansatz der einheitlichen Lösung.
Als dritter möglicher Ansatzpunkt wurde der
Anschluss bzw. die Nutzung bereits bestehender kommunaler IT-Strukturen
betrachtet. Da es hierzu in Thüringen leider keine leistungsstarke und
erfahrene Struktur gibt und deren Schaffung aus o.g. Gründen zeitlich nicht
zielführend ist, wurde der bereits bestehende Kontakt zum sächsischen
Zweckverband Kommunale Informationsverarbeitung Sachsen (KISA) genutzt. KISA
bietet ein umfangreiches Angebot für die IT-gestützte Bearbeitung von
Verwaltungsvorgängen und ist gegenüber ihren Mitgliedern inhousevergabefähig.
Mitglieder bedienen sich bedarfsorientiert und profitieren von günstigeren
Konditionen bei der Nutzung der Produkte und Dienstleistungen. KISA hat bereits
eine breite Anwendergemeinschaft von ca. 270 kommunalen Mitgliedern aus
verschiedenen Bundesländern und engen Kontakt zu kommunalen Spitzenverbänden.
Ein Beitritt des Saale-Orla-Kreis ist gemäß §44 SächsKomZG sowie §16 ThürKGG
unter Zustimmung des zuständigen Ministeriums rechtlich möglich. Weiterhin
existiert bereits seit 1997 ein entsprechender „Staatsvertrag zwischen dem
Freistaat Sachsen und dem Freistaat Thüringen über Zweckverbände,
Zweckvereinbarungen sowie kommunale Arbeitsgemeinschaften“, welcher gemäß §1
eine Zweckverbandsmitgliedschaft über die Landesgrenze hinweg ermöglicht.
Ein Beitritt zur KISA ist kostenfrei möglich.
Gemäß Satzung deckt der Zweckverband seinen Finanzbedarf durch Vergütungen für
die angebotenen Leistungen. Sofern der Finanzbedarf hierdurch sowie durch
sonstige Erträge, Staatszuschüsse und sonstige zweckgebunden Zuschüssen nicht
gedeckt werden kann, kann die Verbandsversammlung des Zweckverbandes einmalige
oder jährliche Umlagen beschließen. Da in diesem Fall jedoch sämtliche
Verbandsmitglieder umlagepflichtig sind und sich die Umlagenhöhe gemäß
KISA-Satzung für Landkreise auf den Faktor 0,25/ Einwohner beläuft, wird das
finanzielle Risiko durch die Verwaltung als überschaubar betrachtet. Über ein
Ausscheiden aus dem Zweckverband entscheidet die Verbandsversammlung mit drei
Fünfteln der satzungsmäßigen Stimmen.
Zusammenfassend ergeben sich durch eine
Mitgliedschaft des Saale-Orla-Kreises im Zweckverband Kommunale
Informationsverarbeitung Sachsen (KISA) nachstehende Vorteile:
·
Wegfall der Bindung von Ressourcen für
Erarbeitung einer umfassenden Leistungsbeschreibung, da die Durchführung einer
europaweiten Ausschreibung entbehrlich ist
·
Zeitgewinn durch wegfallende
LV-Erarbeitung und Vergabeverfahren, was sich
positiv
auf andere E-Government-Maßnahmen auswirkt (z. B. gesetzeskonforme
Einführung
E-Rechnung zum 27.11.2019)
·
100%ige Kompatibilität zum DMS des
Landes
·
Kosteneinsparung für individuelle
Entwicklungen von DMS-Schnittstellen, da diese bereits aufgrund der
Landeslösung existieren
·
durch einheitliches DMS ergibt sich
maßgeblicher Vorteil für Sicherstellung
des
gesetzlich vorgeschriebenen, ausschließlich digitalen Datenaustauschs
zwischen
Behörden Thüringens ab 2025
·
Vereinfachung der Datenablage bei
Arbeit mit einem einheitlichen Aktenplan
·
ein einheitliches bzw. wenige
vorhandene Thüringer DMS erleichtern das
Sicherstellen
einer strategisch avisierten, gemeinsamen Langzeitarchivierung von Land und
Kommunen erheblich
·
aufgrund möglicher Inhousevergabe ist
die Beschaffung weiterer IT-Produkte und Dienstleistungen aus dem Portfolio der
KISA für den Landkreis ausschreibungsfrei und schnell möglich
Neben der reinen Beschaffung eines
Dokumentenmanagementsystems stellt die Implementierung in der Verwaltung eine
viel größere Aufgabe mit elementarer Bedeutung für die nächsten Jahre dar.
Aufgrund vorliegender Kostenvoranschläge und Erfahrungen anderer Kommunen ist
aktuell mit einem Gesamtinvestitionsvolumen i.H.v. 2,5 Mio. EUR verteilt auf
die nächsten 10 Jahre zu rechnen. Aufgrund des Kostenvorteils durch die
Mitgliedschaft ist hier von einer Einsparung von ca. 200-250 TEUR auszugehen.
Weiterhin können, neben dem DMS-Projekt, Einspareffekte im Rahmen der weiteren
Beschaffung von IT-Produkten und Dienstleistungen generiert werden.
Beschlussvorschlag:
1. Der Kreistag beschließt den Beitritt des
Saale-Orla-Kreises zum Zweckverband Kommunale Informationsverarbeitung Sachsen
(KISA) und nimmt die als Anlage 1 beigefügte Satzung des Zweckverbandes und
die als Anlage 2 beigefügte 1. Satzung zur Änderung der Neufassung der
Verbandssatzung des Zweckverbandes zur Kenntnis.
2. Der Kreistag beauftragt und ermächtigt den
Landrat, den Beitritt des Saale-Orla-Kreises zum Zweckverband Kommunale
Informationsverarbeitung Sachsen (KISA) unverzüglich zu beantragen und alle im
Rahmen des Beitrittsverfahrens erforderlichen Erklärungen abzugeben und
entgegenzunehmen. Dies gilt auch für die Einholung von rechtsaufsichtlichen
Genehmigungen.
Finanzielle Auswirkungen:
Einnahmen |
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Bezeichnung der Haushaltsstelle:
Erwerb v. beweglichen Sachen des Anlagevermögens |
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Deckungsvorschläge: |
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Haushaltsstelle: |
Summe: EUR |
Bezeichnung der Haushaltsstelle: |
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Bemerkungen:
Unabhängig von den Erläuterungen zum Beitritt, hat der Landkreis für den
Erwerb von Li-zenzen, Leistungen und Hardware für die Einführung der
elektronischen Aktenführung im laufenden Haushaltsjahr 250T€ eingeplant.
Personelle Auswirkungen:
keine