Betreff
Erhebung von Kommunalverfassungsbeschwerden gegen das Thüringer Gesetz über die Grundsätze von Funktional- und Verwaltungsreformen (ThürGFVG) vom 14. Dezember 2016 und gegen das Kreisneugliederungsgesetz
Vorlage
KT/081/2017
Art
Beschlussvorlage Kreistag

Sachverhalt:

 

I.

 

Die von der Thüringer Landesregierung geplante Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform hat die Bildung wesentlicher größerer Gebietskörperschaften und eine Kommunalisierung staatlicher Aufgaben zum Ziel.

 

Bereits mit Beschluss vom 25.04.2016 hatte der Kreistag des Saale-Orla-Kreises die Thüringer Landesregierung aufgefordert, den Saale-Orla-Kreis mit der Stadt Schleiz als Kreisstadt zu erhalten, und gleichzeitig den Landrat beauftragt, diese Position gegenüber dem Freistaat zu vertreten.

 

Mit dem Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen vom 02. Juli 2016 (GVBl. 2016, S. 242) wurden verbindliche Richtwerte für die beabsichtigte Neugliederung der Landkreise beschlossen. Vorgegeben wird eine Einwohnerzahl von mindestens 130000 und höchstens 250000 Einwohnern; die Größe der Landkreise soll 3000 km² nicht überschreiten. Eine Begründung für die Notwendigkeit dieser Parameter zur Schaffung leistungsfähiger Landkreise wird im Gesetz nicht gegeben. Schon bei Zugrundelegung der durch das Vorschaltgesetz geforderten Mindesteinwohnerzahlen würde der Saale-Orla-Kreis keinen Bestand haben können. Beim Thüringer Verfassungsgerichtshof ist deshalb ein Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahren des Saale-Orla-Kreises (VerfGH 69/16) anhängig.

 

Mit dem Thüringer Gesetz über die Grundsätze von Funktional- und Verwaltungsreformen (ThürGFVG) werden die „bei allen künftigen verwaltungs-, funktional- und gebietsreformerischen Maßnahmen“ zu beachtenden Reformziele und –grundsätze bestimmt (§ 1 des Gesetzes). §§ 2 und 3 des Gesetzes regeln ein umfassendes Kommunalisierungsgebot staatlicher Aufgaben.   Nachdem das Gesetz durch den Thüringer Landtag beschlossen wurde und in Kraft getreten ist, macht sich die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde auch gegen dieses Gesetz erforderlich, um die Rechte des Saale-Orla-Kreises zu wahren. Die gegen ein Gesetz gerichtete Verfassungsbeschwerde kann nur binnen eines Jahres seit dem Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden. Die zur Vorbereitung und Durchführung des Verfahrens notwendige Prüfung der Sach- und Rechtslage ist mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden.

 

In Umsetzung der Vorgaben der vorbereitenden Gesetze sieht der Gesetzentwurf der Landesregierung für das Gesetz zur Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte in Thüringen und zur Änderung anderer Gesetze vor, dass künftig an Stelle der bisher siebzehn Landkreise nur noch acht Landkreise Bestand haben sollen. Aus den Gebieten des Saale-Orla-Kreises, des Saale-Holzland-Kreises und des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt soll ein neuer Großkreis, der Landkreis Saaletal mit einer Größe von knapp über 3000 km² und derzeit mehr als 275.000 Einwohnern gebildet werden; Kreissitz des neuen Landkreises soll die Stadt Saalfeld werden (Artikel 1, § 10 des Gesetzentwurfes).

 

Dem Landkreis steht das verfassungsrechtlich verbürgte Recht zu, Verletzungen seines Rechtes auf kommunale Selbstverwaltung zu rügen und überprüfen zu lassen (Artikel 80 Absatz 1 Nr. 2, 91 Absatz 2 Thüringer Verfassung, § 11 Thüringer Verfassungsgerichtshofgesetz). Kommunale Bestands-oder Gebietsänderungen sind nur aus Gründen des öffentlichen Wohls zulässig (Art. 92 Absatz 1 Thüringer Verfassung).

 

Mit dem Wegfall des Sitzes der Kreisverwaltung in Schleiz wird ein erheblicher Verlust an Arbeitsplätzen und Kaufkraft in der Region verbunden sein. Die Auflösung der bisherigen Strukturen des Landkreises wird auch einen Verlust bzw. eine Verlagerung weiterer für die Bürgerinnen und Bürger wichtiger Einrichtungen zur Folge haben. Beispielhaft ist auf die Standorte der Kreissparkasse Saale-Orla, der Polizeiinspektion und des Amtsgerichtes zu verweisen. Eine Verringerung der öffentlichen Ausgaben infolge der Neugliederung der Landkreise ist nicht nachgewiesen.

 

II.

 

Mit Herrn Prof. Dr. Ibsen konnte ein ausgewiesener Verfassungsrechtler für die anspruchsvolle Thematik gewonnen werden. In den Jahren 2007 bis 2013 war Herr Prof. Dr. Ibsen Präsident des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes.

 

III.

 

Gemäß § 105 Absatz 2 in Verbindung mit § 26 Absatz 2 Ziffer 4 ThürKO kann die Beschlussfassung über Gebiets- oder Bestandsänderungen nicht auf beschließende Ausschüsse übertragen werden. Die Beschlussfassung zur Erhebung einer Kommunalverfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Neugliederung der Landkreise – bei Auflösung des Saale-Orla-Kreises – obliegt deshalb dem Kreistag. Über die Erhebung der Verfassungsbeschwerde gegen das ThürGFVG kann gemäß § 17 Absatz 1 Punkt 4 der Geschäftsordnung des Kreistages auch der Kreisausschuss entscheiden; jedoch kann der Kreistag gemäß § 105 Absatz 2 in Verbindung mit § 26 Absatz 3 Satz 2 ThürKO im Einzelfall Entscheidungen an sich ziehen.

 

 


Beschlussvorschlag:

 

„Der Kreistag des Saale-Orla-Kreises beauftragt den Landrat, Kommunalverfassungsbeschwerde gegen das Thüringer Gesetz über die Grundsätze von Funktional- und Verwaltungsreformen (ThürGVG) vom 14. Dezember 2016 (ThürGVBl. 2016, S. 526) und gegen das Kreisneugliederungsgesetz zu erheben.

 

Mit der Prozessvertretung im Beschwerdeverfahren soll Herr Prof. Dr. Jörn Ipsen, Institut für Kommunalrecht und Verwaltungswissenschaften der Universität Osnabrück, betraut werden.“

 

 


Finanzielle Auswirkungen:

 

 

 ja

 nein

Haushaltsjahr: 2017

 planmäßige Ausgaben

 überplanmäßige Ausgaben

 außerplanmäßige Ausgaben

  Einnahmen

Haushaltsstelle: 1.02300.65500

Summe: 20000,00

Bezeichnung der Haushaltsstelle: Rechtsamt - Sachverständ.-, Gerichts- und ähnl. Kosten

Deckungsvorschläge:

 lfd. HH-Jahr

 HAR

Haushaltsstelle:

Summe: EUR

Bezeichnung der Haushaltsstelle:

     

     

     

     

     

     

     

     

     

 

Bemerkungen:

Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist kostenfrei. Über die Höhe der Kosten der Prozessvertretung kann zum jetzigen Zeitpunkt keine abschließende Aussage getroffen werden. Diese ist abhängig von Umfang und Dauer der Verfahren; ein Kostenaufwand in Höhe von 20.000 Euro ist jedoch zu veranschlagen.


Personelle Auswirkungen:

 

keine